Tokyo, Tokyo!

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Da bin ich nun. Herausgepresst aus fliegendem Aluminium.
Angeschwemmt mit einer Rush-Hour, die selbst achtspurige Skyways hoffungslos unter der auf ihnen träge dahinrollenden Blechlawine ächzen lässt.

Ausgespuckt von einem Großraumtaxi, das mich und mein Liegerad völlig verstört inmitten gleißender Neonreklame buntester Schriftzeichen nach der verwirrenden Fahrt abstrus verbogener, auf und ab führender Autobahnen, die sich abenteuerlich in Höhe des zehnten Stockwerkes durch die Megacity schlängeln, vor der Lobby meines Hotels ablädt.

Sprechende Ampeln und eine unüberschaubare Anzahl riesiger brabbelnder LED-Wände an den Wolkenkratzern trommeln unaufhörlich in babylonischem Geschnatter schrille Botschaften in die heiße Nacht. Ich schwitze. Ich zittere. Meine Augenlider möchten zufallen, doch Adrenalin und viel Kaffee zwingen sie, meine nervös zuckenden Augäpfel offen zu halten.

Tokyo, da bin ich nun. Stehe in deiner Hitze. Dem Herbst in Deutschland entflohen, 11 Stunden Flug, davor 7 Stunden Autobahnstau. Da stehe ich nun, blass und feucht, schwitze in meine deutsche Jacke, während sich Horden ausgelassen feiernder Japanteenies an mir vorbeidrücken, geschminkt wie Pokemons, wie Goth-Queens, wie Rockstars, wie James Bonds. Da stehe ich nun, drehe meinen Kopf hin und her. Weiß gar nicht, wohin ich als erstes schauen soll, bin müde und aufgekratzt, überwältigt.

Ich beziehe mein Zimmer. Im Traum. Taumele nach unten, neben meinem Hotel, ein Laden - Conbini-Store, wie sie ihn hier nennen - Krämpfe von Hunger lassen meinen Korb voller Sushi laden. Alles verbeugt, entschuldigt und bedankt sich bei mir. Unfassbar. Sie fragen mich Sachen. Ich antworte auf Englisch, dass ich nicht Japanisch spreche. Ich habe einen Satz hierfür in Landessprache, aber ich traue mich nicht, ihn zu sagen. Ich zahle, ein Reh, verschreckt, es flüchtet sich in den Aufzug, in sein Zimmer.

Tokyo. Japan. Und ich mitten drin. Es surrt. Es brummt. Und hier nun drei Wochen Fahrrad fahren. 13 Etappen. 1.500 Kilometer.

Ich versuche zu schlafen. Geht nicht. Die Klimaanlage schaufelt lautstark Kälte in den Raum. Ich ziehe den Vorhang beiseite, schaue hinab auf die Straße.

Unter mir brodelt Asien.

Und ich? Ich habe keine Ahnung, wie ich das hier alles schaffen soll.