Getting to Japan

Mehr, als eine Radtour ...

Oh ja, das ist dieser Trip wirklich. Denn was ich sonst verschweige, hier will ich es einmal kurz darlegen - die Geschichte vor der Geschichte. Alles fängt einen Tag vor dem Abflug an. Freitag. Nachmittag, 13 Uhr. Meine Sixt-Autovermietung meldet sich und sagt, dass mein 3er BMW Kombi nun abholbereit ist. Höchste Eisenbahn, denke ich, fahre meinen Rechner herunter, sage den Kollegen in der Agentur Bye und hole den Wagen.

Nein, ich habe keinen Direktflug. So etwas gibt es diesmal nicht. Und aus irgend einem Grund habe ich keine Anschlussflüge aus Hamburg gebucht - warum? Nun, manchmal muss ein Mann tun, was ein Mann tun muss.

Das Rad und der Karton sind schnell im geräumigen Heck verstaut, obschon die Kurbel gefährlich nahe am Schalthebel herumschlingert. Gegen 16 Uhr sattle ich meine Pferdestärken - ich habe einige Hundert Kilometer Autobahnritt vor mir. Es geht nach Frankfurt/Main zum Flieger, mit einem kleinen Umweg.

In Duisburg will ich meine liebe Freundin Wuschel besuchen. Lange nicht gesehen, lange nicht gesprochen und - sie verspricht es - ein stärkendes Büffet wartet auf mich.

Hinter Hamburg, die Anlage brüllt die Hits der 80er und von Heute in den Fond, rase ich in einen Stau. Baustelle reiht sich an Baustelle, Stunden fließen ebenso zäh wie der Verkehr. Ich weiß nicht, was die Amis an der deutschen Autobahn so gut finden, aber wenn man nur mit 60 km/h auf minimalbreiten Baustellensträßchen fahren kann, wäre mir eine Landstraße eigentlich viel lieber.

So schleiche ich, immer müder werdend, in den Sonnenuntergang. Urlaubsstimmung kann so freilich nicht aufkommen. Und ein Glück, denke ich, dass ich heute nur nach 6 Stunden Schluss machen kann - bis hinunter nach Frankfurt zu donnern, wäre heute nach diesem Arbeitstag, nach dieser Arbeitswoche fatal gewesen.

Irgendwann komme ich im Dunkeln bei Wusche an. Die Gute täfelt Salate, Heißes und Kaltes auf und ihr Lächeln, das ich so gern habe. Und während wir da so hocken, ich mich satt esse und wir erzählen, denke ich mir so - sie ist die letzte Freundin, die ich hier in Deutschland sehe. Alles, was jetzt kommt, wird für 3 Wochen Fremde sein. Fremde Deutsche. Und eine Menge fremde Japaner.

Ich verbringe eine schöne Nacht in Duisburg, früstücke nicht, denn Frankfurt ruft. Ausgeschlafen, bereit. Urlaubsstimmung, da endlich ist sie. 2 Stunden, sagt mein Navi, 2 Stunden bis zum Terminal 2 des Rhein-Main-Airports. Und noch ettliche Stunden bis zum Abflug.

Auto abgeben - super. Keine Probleme. Niemals hätte ich das mit der Bahn geschafft: 3 Gepäckstücke, 2 davon mit Übergröße und alle irreschwer.

Nacheinander bugsiere ich das Liegerad, den Riesenkartoin und meine Tasche bis zum Schalter von JAL - Japan Airlines. Nebenan wird ein Jumbo der China-Air abgefertigt. 350 Menschen stehen Schlange. Und ich fange an, die Kiste zu bauen. Erfahrung habe ich mit dem Papp-Monster genug, baue sie fast schon mit geschlossenen Augen.

Ein Augenschmaus hingegen für die gelangweilten Anstehenden: Immer wieder kommen ganze Familien, Deutsche wie Chinesen, zu mir herüber um zu sehen, was ich da treibe. Beim Verkleben der Kiste von innen, muss ich hinein steigen. Großes Hallo bei den schwulen Boys von Air Lingus, die sich prächtig amüsieren. Nicht sehr amüsant hingegen sind die beiden Maschinenpistolen, die mir zwei Beamte von der Bundespolizei vor die Nase halten, als sie in die Kiste schauen. Na, der wird doch wohl nicht vor unseren Augen eine ... Terrorkiste bauen? Nein, keine Sorge, macht er nicht.

Zwei Stunden und unzählige dumme Sprüche später steht die Kiste, ist das Liegerad verpackt und alles sicher verschnürt. Noch 5 Stunden bis Check-in.

Weg kann ich nicht - die Kiste allein stehen zu lassen, wäre ein Verschrottungsangebot an die Maschinenpistolenboys. Also warte ich und warte ich und warte ich ... und schlafe kurz ein. Neben mir zeugen Speckflecken an den Wänden von unzähligen Wartenden und ungewaschenen Köpfen.

Endlich, ich kann es kaum fassen, geht das Licht am Schalter an. Freundliche Japanerinnen begrüßen mich auf Deutsch, verbeugen sich, nehmen sich liebevoll meiner Riesenkiste an, nehmen mir meine schweren Taschen ab und wünschen mir eine schöne Reise.

Draußen sehe ich ihn, den weißen Schwan, eine 777 aus dem Hause Boeing. Sie steht da. Erhaben. Ruhig. Riesig. In ihrem Bauch fliege ich gleich los. Gleich gehts ab - 11 Stunden, 3 Filme und ein paar leckere Mahlzeiten noch, dann ist Tokyo erreicht.

Kaum zu glauben, diese Anreise, an sich schon eine kleine Odyssee.

Und in 3 Wochen? Das selbe zurück. Dann aber, nach 12 Stunden Flug, ohne Umweg über Duisburg. Rein in den Renner, ab geht er - 8 Stunden durch fiesestes Regenwetter nach Hamburg. Und was meint Ihr, was ich hatte, als ich abbiege und vor meinem Haus die Handbremse anziehe?

Tränen in den Augen.